24
Okt
2014
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In die Bresche springen und das Leben riskieren. Oder auf Eis legen.

Was im Mittelalter die physische Verteidigung einer Stadt- oder Festungsmauer mit dem eigenen Leben war, beschreibt heute eine eher mentale Unterstützung in einer kritischen Situation: Das „in die Bresche springen“. Wenn diese Redwendung aber im Zusammenhang mit dem Einfrieren von Eizellen zugunsten der Karriere auftaucht, dann geht es irgendwie immer noch um Leben und Tod.

Die Bresche

Aber der Reihe nach. Das Wort “Bresche” gelangte im 17. Jahrhundert in den deutschen Sprachgebrauch und bezeichnete eine Art Lücke oder einfach ein Loch in einer Festungsmauer, das Angreifer hineinrissen oder -sprengten, um einzudringen und die Festung zu erobern. Das Wort entstand wohl aus dem germanischen „brekan“, das zum französischen „brèche“ wurde und schließlich als „brechen“ oder eben „Bresche“ zurück ins Deutsche kehrte.

Die Bresche wird heute noch in der Militärsprache verwendet, jedoch im übertragenen Sinn, wenn es um einen erfolgreichen Durchbruch in der Kriegsführung geht. Viel bekannter ist sie aber als Teil der Redewendung: „Für etwas oder jemanden in die Bresche springen“.

Wenn Konzerne mit Social Freezing in die Bresche springen

Und so liest sich ein Beispiel dieser Redewendung im Jahr 2014: „Während sich in den westlichen Ländern der Staat allmählich aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung zurückzieht, springt die Privatwirtschaft in die Bresche und übernimmt die Sorge fürs Allgemeinwohl“, schreibt die Berliner Zeitung nicht ganz ohne Ironie. Worum es geht, ist das Thema „Social Freezing“. Ein Begriff, der – wie alles, was gerade alles „Social“ ist – eigentlich ganz zeitgemäß und harmlos daherkommt, aber etwas beschreibt, das ich bisher für Science Fiction gehalten hätte: Amerikanische Konzerne wie Facebok und Apple wollen Mitarbeiterinnen in Führungspositionen das Einfrieren ihrer Eizellen finanzieren, um ihnen die schwierige Entscheidung zwischen Kind und Karriere abzunehmen bzw. eine klare Reihenfolge festzulegen: erst Karriere, dann Kind. Damit die Eizellen der (älter werdenden) Frauen inzwischen schön frisch bleiben, werden sie auf Eis gelegt. Bis dann der Zeitpunkt kommt, wo Frau und Unternehmen finden, „jetzt sind wir bereit für Kinder!“

Ich bin mir nicht sicher, warum angenommen wird, dass mit steigender Karriere dieser Zeitpunkt näher rückt. Denn erstens kommt dieser Moment ohnehin schon selten genug von selbst und zweitens wird doch das „Aussteigen“ aus dem Beruf mit jedem Schritt nach oben, mit jeder neuen Verantwortung und gefühlten Unersetzbarkeit doch immer schwieriger, oder? Aber das ist ja gar nicht die erste Frage, die in dieser Angelegenheit gestellt wird. Vorher gibt es noch viele andere zu klären, ganz abgesehen von den offensichtlichen ethischen Bedenken und der Frage, ob wir denn nicht, falls es uns denn möglich ist, zumindest die Empfängnis dem Lauf der Natur überlassen wollen.

Emanzipatorisch wertvoll, grausam oder sowieso nur elitär?

Sollte eine Frau diese Strategie aus emanzipatorischer Sicht nicht vielleicht sogar gut finden, weil durch diesen durchgeplanten Ablauf doch irgendwie mehr Gleichberechtigung entsteht? Die beiden in dem Artikel zitierten Frauen sind der Ansicht, dass eine wirkliche Lösung von “Kind und Beruf?” nicht in geplanter Reproduktion sondern nur in einer entsprechenden Infrastruktur und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen liegen kann. Da nicken sicher viele. Ich auch. Anscheinend ganz gut funktionierende Beispiele dafür gibt es ja weiter nördlich in Europa.

Noch einmal frage ich mich aber, wie das genau aussieht, wenn uns „erlaubt“ wird, zuerst “Karriere” zu machen und danach erst Kinder in die Welt zu setzen. Wann bekommen wir dann Kinder? Woher wissen wir, wann unser Karriere-Zenit überschritten ist? Und wann ist dann der richtige Moment? Mit 50? Aber was, wenn wir da gerade erst in der absoluten Blüte unserer beruflichen Laufbahn stecken? Dann doch erst mit 60 die Kinder? Oder nie?

Eine weitere Frage: Hängt denn alles tatsächlich nur vom Zeitunkt der Eizellenproduktion ab? Zu einer Schwangerschaft gehört doch ein ganzer Körper. Gibt es da nicht noch weitere Risiken mit voranschreitendem Alter zu beachten? Mit den medizinischen Details will ich mich hier nicht beschäftigen, aber dieser Aspekt würde mir als Frau auch im Kopf herumschwirren. Aber eigentlich ist es egal, was mir dazu im Kopf herumschwirrt, denn ich gehöre sicher nicht zur Zielgruppe. Dieses Entgegenkommen der Konzern-Arbeitgeber ist nur Frauen in Führungspositionen gedacht. Für alle anderen Frauen müssten sich dann doch ganz andere Dinge ändern.

Der Autor endet mit einem Kommentar, bei dem auch ich mich im ersten Moment ertappt fühlte: „Und Kinder wüssten endlich, was sie sind – Störfaktoren in einer Welt von so fröhlichen wie gnadenlosen Selbstoptimierern.“ Stimmt, irgendwie. Es geht uns doch ständig um Selbstverwirklichung und persönlichen Erfolg. Anstatt einfach froh und glücklich zu sein, eine Familie haben zu können. Doch im zweiten Moment frage ich mich, ob und inwieweit der Autor, falls er denn Kinder hat, seine beruflichen Ambitionen zurückgesteckt oder seinen Beruf nach der Geburt seiner Kinder vorübergehend ganz aufgegeben hat. Statistisch gesehen ist in diese Lücke nämlich viel eher die Mutter seiner Kinder gesprungen.

 

Urheberrecht Bild: parzaq/ 123RF Stockfoto

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