8
Feb
2015
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Wo der Barthel den Most holt und was das mit Ganoven, Gaunern und Schmusen zu tun hat.

Wenn jemand zeigt, wo der Barthel den Most holt, dann ist klar, dass er oder sie weiß, wo es lang geht, mit einigen Wassern gewaschen und auch ziemlich schlau ist. Eine Redewendung, die irgendwie nach Österreich klingt, aber gar nicht österreichisch ist. Genau genommen gibt es sie in leichten Abwandlungen sowohl in Deutschland („Wo der Barthel den Most holt“), in Österreich („wo der Bartl den Most holt“) als auch in der Schweiz („wo der Bartli den Most holt“).

Die Bedeutung ist überall dieselbe. Die Herkunft wohl auch, jedoch gibt es hier sehr weitreichende Erklärungsansätze. Die Wörterbücher sind voll davon und sprechen zum Beispiel von dem „Batheld“, der im Niederdeutschen einen Storch bezeichnet und der die „Mäuse“, also Kinder holt, weshalb er doch ziemlich aufgeklärt sein muss. Die ausführlichen, sage und schreibe 16 Erklärungen finden sich schön zusammengefasst in diesem Wiktionary-Eintrag. Ich bleibe heute allerdings bei nur einer. Weil sie mir am plausibelsten erscheint und auch, weil sie mich auf ganz großartige weitere Perlen gestoßen hat.

Wir landen wieder einmal im Rotwelsch. Da liegen nämlich anscheinend die Wurzeln vom Barthel und seinem Most. Sie gehen auf die hebräischen Wörter „barsel“ für „Eisen“ und „ma’oth“ für Münzen oder Geld (bzw. Moos) zurück. Dieser Deutung zufolge wäre der Barthel, der weiß, wo der Most ist, ganz einfach jemand, der weiß, wie man mithilfe eines Brecheisens zu Geld kommt. Ein Gauner also oder ein Ganove.

Wir haben bereits bei den vielen Namen der Polizei kurz erklärt, was Rotwelsch eigentlich ist. Eine Sondersprache des Deutschen, die im späten Mittelalter und der Neuzeit überwiegend von fahrendem Volk gesprochen wurde, aber auch von anderen Randgruppen und, wie es manchmal heißt, von „kriminellen Subkulturen“, also Dieben, Betrügern und Räubern. Oft wird sie mit dem Begriff Gaunersprache gleichgesetzt. Eine Art Geheimsprache, die als Erkennungsmerkmal und zum Zwecke des gegenseitigen Schutzes (vor Bespitzelung) diente. Haupteinflüsse kamen aus dem Hebräischen und dem Deutschen. Sehr viele rotwelsche Begriffe haben jiddischen Ursprung.

In einer wirklich interessanten Dissertation hat sich Jasmina Čirkić damit beschäftigt, wieviel Rotwelsch noch heute in unserer Sprache enthalten ist. In ihrer Arbeit untersuchte sie eine Liste von 139 rotwelschen Wörtern, die zur deutschen Gegenwartssprache gehören, von deren rotwelscher Herkunft allerdings kaum ein Mensch weiß, darunter pleite, Kaff, Kippe, Klamotten, Moneten, blau (sein), großkotzig, schnorren, Ramsch, Zores oder schachern. Ja, und außerdem auch der Ganove, der Gauner und sogar das Schmusen!

Jedes dieser tollen Wörter verdient es, näher erklärt zu werden. Aber wie immer drängt die Zeit bzw. der Platz und deshalb beschränke ich mich heute auf das Schmusen, weil es doch ganz besonders schön ist. „Schmuoss“ bedeutete im Rotwelschen „Erzählung“, „schmusen“ war „schwatzen“ und „beschmusen“ so etwas wie „ausplaudern“. Sie alle gehen zurück auf das hebräische Wort „šěmū’ōth“, also „Neuigkeiten“ oder „Erzählungen“. Auch im Grimm’schen Wörterbuch wird „schmusen“ noch als eine Form von reden und „Worte machen“ erklärt. Erst später erlangte das Wort als Hauptbedeutung „zärtliche Liebkosungen austauschen“. Wobei der Duden ebenfalls als zweite Bedeutung „anbiedern“ und „jemandem schmeicheln“ anführt. Davon abgeleitete sind auch Wörter wie die berühmte Schmusepolitik oder Schmuse-Taktik. Und eines noch: Im 19. Jahrhundert wurden Heiratsvermittler auch Heiratsschmuser genannt und was die taten, war ebenfalls “schmusen”. Wo das alles herkommt, da gibt es noch jede Menge weitere Perlen auszugraben. Aber jetzt mal Schluss für heute.

 

Zusätzliche (zu den hier genannten) Quellen:

Čirkić, Jasmina: Rotwelsch in der deutschen Gegenwartssprache, 2006

 

Urheberrecht Bild: 123Rrf elwynn 

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