29
Mrz
2015
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Weinen ist lächerlich, schwach und böse. Meint zumindest die Sprache.

Das Weinen ist, auch ohne überhaupt von einem Wort oder gar einer Sprachperle begleitet zu werden, eine der echten Größen der menschlichen Kommunikation. Denn ganz unabhängig von Sprache und Kultur kennt und kann es im Grunde jeder. Ob es sich tatsächlich als eine Art der sozialen Interaktion entwickelt hat oder doch einfach als Mittel zum Stress- und Spannungsabbau – darüber sind sich die Wissenschaftler nicht ganz einig. Eines scheint aber klar zu sein: Das Weinen ist ein emotionaler Ausdruck, der durch bestimmte (zumeist negative) Gefühle wie Schmerz, Trauer, Furcht, Wut, Hilflosigkeit, Angst oder Enttäuschung ausgelöst wird. Das Wort „weinen“ selbst geht auf das althochdeutsche „weinōn“ zurück und entstand aus der Bedeutung „weh schreien“.

Abgesehen von Situationen der sehr emotionalen Freude oder Rührung begegnen wir dem Weinen also leider meistens in unliebsamer Begleitung, was sicher ein Grund für seinen schlechten Ruf ist. Doch was unsere Sprache zeigt, ist, dass es nicht unbedingt die Furcht vor negativen Gefühlen ist, die das Weinen so unbeliebt machen. Viel eher ist es die Verachtung.

Weinen ist lächerlich

So haben die meisten Wörter, die wir als Synonyme für das Weinen verwenden, einen doch eher abwertenden Nachhall, obwohl ihnen allen eine beschreibende Bedeutung von “schreien” oder einfach “den Mund verziehen” zugrunde liegt. Wir sprechen vom Heulen, Flennen oder Greinen und was immer mitschwingt ist das Gefühl, dass sie doch eigentlich lächerlich oder übertrieben ist, diese Weinerei. Noch ein wenig gröber kommt das Weinen als Plärren, Rean oder Blazen daher und klingt beinahe, als könnten wir durch unser Weinen etwas Falsches, Dummes tun und andere stören oder gar verägern. „Hör auf zu Rean!“ war interessanterweise auch der erste Beispielsatz, den ich zum Wort “Rean” angegeben fand. In Redewendungen klingt das Heulen übrigens nicht viel netter. Jemand kann heulen wie ein Schlosshund, womit das Bild des Weinenden doch fast schon verhöhnt wird, oder wir können Rotz und Wasser heulen, was trotz der sprachlich wenig feinen Ausdrucksweise vielleicht sogar noch die neutralste weil doch sehr beschreibende Sicht auf das Weinen bietet.

Weinen ist schwach

Wir haben also wenig Achtung für das Weinen. Und verachtenswert finden wir es natürlich erst recht, wenn jemand weinerlich ist. Oder nahe am Wasser gebaut, wie es oft ein wenig zärtlicher (oder entschuldigender?) in diesem Euphemismus ausgedrückt wird. Obwohl ich das metaphorische Bild von der Überschwemmung – dem nicht steuerbaren Schwemmen und Spülen – irgendwie passend finde, ist doch auch dieser Ausdruck keiner, den wir jemals in positivem Sinne verwenden würden. Denn die Bedeutung, die er immer auch transportiert, ist „schwach sein“, „zu sehr oder zu oft überwältigt von den eigenen Gefühlen werden“, „nicht in der Lage sein, die Fassung zu bewahren“. Dabei wollen wir ja gerade das: das Gesicht wahren. Und das geht bestimmt nicht, wenn es sich tränenüberströmt und schmerzverzerrt präsentiert.

Weinen ist böse

Manchmal steckt hinter dem Weinen sogar eine böse oder zumindest strategische Absicht. So können Menschen auf die Tränendrüse drücken, um gezielt Mitleid oder Rührung auszulösen und diese zu ihren Gunsten zu nutzen. Sie können Krokodilstränen weinen und ihre geheuchelten Gefühle der Trauer oder des Mitgefühls damit zur Schau stellen. Schon in der griechischen Mythologie gab es eine Sage von Dämonen in Gestalt vogelartiger Mädchen, die durch ihr Weinen Mitleid erregten und so ihre Opfer anlockten. Später wurde diese Vorgehensweise den Krokodilen unterstellt, die angeblich wie Kinder weinen, um ihre Opfer anzulocken. Warum gerade Krokodile? Wohl deshalb, weil viele Krokodilarten beim Fressen ein Tränensekret absondern und deshalb aussehen, als würden sie weinen oder gar ihre Opfer betrauern. Und warum gerade vogelartige Mädchen und keine Jungs? Vielleicht, weil den armen griechischen Buben schon damals erzählt wurde, dass nicht geweint wird, weil Indianer keinen Schmerz kennen.

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3 Responses

    1. Nicola

      Das stimmt natürlich! Zumindest müsste es heißen “Hör auf ZUM Rean!” Aber das Wiktionary kann wohl kein Österreichisch und der Beispielsatz ist dort tatsächlich mit “zu” angeführt. Gnaan? Wow, das kenn ich gar nicht. Ich kann leider nichts dazu finden – weißt du mehr darüber? Jetzt bin ich neugierig.

      1. Sophie

        bisschen spät , hier meine Info (spärlich) zu gnaan: könnte ev von knarren kommen, da auch eine Türe gnaan kann. Ansonsten weiß ich leider auch nix drüber, in Mutters Familie wurde es verwendet, weit häufiger als weinen oder rean oder plärren. ließ ich mir erzählen.

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