14
Sep
2017
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Der Weg ist nicht das Ziel. Und der Holzweg keine Sackgasse.

Dass der Weg das Ziel ist, stimmt leider nicht immer. Manchmal ist wirklich nur eines das Ziel: das Ziel. Denn anders als beim Risottokochen oder auf der Wanderung zur besten Kaiserschmarrn-Wirtin wären uns einige Ziele ohne ihren mühsamen Weg dorthin ganz einfach lieber: die Führerscheinprüfung, die ersten sechs Wochen rauchfrei, die Beförderung zur Chefin, saubere und frisierte Kinder, oder eine gelungene Zahnregulierung. Es gibt allerdings auch Wege, die eigentlich nirgendwo hin führen und uns irgendwann trotzdem da ankommen lassen, wo wir immer schon hin wollten. Das sind vielleicht die allerschönsten.

Die wohl anstrengendsten Wege hingegen sind jene, die uns scheinbar auf der Stelle treten lassen. Weil sie uns Energie kosten, Sinn und Hoffnung rauben. Und auch die Orientierung. Und weil es so gegen unsere Natur geht, das Gehen, Treten und Strampeln ganz sein zu lassen und den Stillstand hinzunehmen. Wir wollen nicht stehen bleiben, wir wollen weiterkommen. Also gehen wir weiter, wenn es sein muss, auch ohne Ziel. Befinden wir uns auf einem Holzweg, dann ist es sprichwörtlich ein Irrweg, dem unsere Gedankengänge folgen, einer, der nie das richtige Ziel erreichen kann. Ganz buchstäblich beschreibt der Holzweg aber viel eher Wege, die gar nirgends ankommen sollen. Denn die eigens angelegten Holzwege im Wald dienten ursprünglich nicht dem Erreichen von Orten, sondern dem Transport geschlagener Bäume. Sie waren also nicht ganz ziellos, sicher nicht sinnlos und auf jeden Fall waren es Wege, die zurückgelegt werden mussten. Nur aus dem Wald führen, das konnten Sie nicht.

Das Weg- und Weiterkommen schwer machen kann auch die Sackgasse. Sie lässt uns auf ganz echte Grenzen stoßen oder, wie es ihre englische Bezeichnung Dead End noch deutlicher ausdrückt, sogar an das Ende unseres Weges. Nur dann allerdings, wenn wir nicht willens sind, stehen zu bleiben, umzudrehen, Wege zwei Mal zu gehen, drei Mal zu gehen, vier Mal zu gehen, oder auch aus unserem schnellen Auto auszusteigen und uns zu Fuß auf den Weg zu machen. Denn der Sack, der uns gefangen und aufzuhalten scheint, hat immer mindestens eine Öffnung. Und oft auch ein paar kleine, die wir erst entdecken, wenn wir sie ergehen und bereit sind, über Umwege an unser Ziel zu gelangen.

Wie könnten sie aber nun heißen – jene Wege, die erst keine oder ganz andere Ziele hatten und uns dann plötzlich da ankommen lassen, wo wir immer schon hin wollten? Die Wege, die wir vielleicht gar nicht gehen wollten, dann aber wie von selbst oder sogar ganz unbeabsichtigt gegangen sind – weil sie so selbstverständlich waren, so vorgegeben, so leicht… Wie nennen wir es, wenn wir plötzlich merken, dass es genau die Dinge waren, die wir auf all den Holzwegen und in den vielen Sackgassen gesehen, gesammelt und mitgenommen haben, die uns genau da weiterhelfen, wo wir jetzt angekommen sind?

Lebenswege, vielleicht.

4 Responses

  1. Andrea Scholz

    Wunderschön formuliert und sehr treffend! Ich befinde mich gerade auf einem neuen Weg. Manchmal und manchen erscheint er als Irrweg oder Abweg, vielleicht auch als Umweg. Ich bin froh über diesen Weg, obwohl oder vielleicht sogar WEIL ich nicht weiß, wo er mich hinführen wird. So gesehen ist mein Weg doch auch ein bisschen “das Ziel” ;-))

    1. Nicola

      Wie schön, vielen Dank! Die Abwege – die hätte ich beinahe vergessen. Die gelten ebenso als Irrwege, oft sogar mit dem falschen Ziel und moralisch falsch. Dabei können sie ja auch einfach ab-seits des scheinbar schnellsten Weges in genau die richtige Richtung führen. Viel Erfolg und Freude dabei!

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