30
Okt
2014
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Urheberrecht: ste7e / 123RF Stockfoto

Von tschechischen Dörfern, spanischem Chinesisch und russischen Lustern.

Die Österreicher raunzen*, die Deutschen sind nicht lustig, die Russen saufen und die Franzosen sind arrogante Chauvinisten. Die Liste solcher Fremdstereotype ist lang. Interessant ist, dass solche Zuordnungen fast immer negativ sind. Verwunderlich ist das nicht, denn das, was uns „fremd“ ist, finden wir ja oft unverständlich, seltsam, lächerlich oder sogar beängstigend und bedrohlich. Aus dem eigenen Standpunkt und Blickwinkel aus betrachtet sehen viele Dinge und Formen und Farben nun einmal anders aus, als ein paar Meter oder gar Kilometer daneben. Die Frage ist – wollen wir unseren kleinen Punkt ab und zu verlassen und die Dinge ein bisschen anders sehen, oder nicht?

Aber zur Sprache: Sie ist ja eine Zeugin dessen, wie wir im Laufe der Geschichte die uns fremden Menschen und Dinge betrachtet und erlebt haben. Das zeigen auch so genannte länderspezifische Phraseologismen, die oft seit Jahrzehnten und Jahrhunderten unseren Sprachgebrauch mitgestalten. „Leben wie Gott in Frankreich“, „so schnell schießen die Preußen nicht“ oder auch die „feine englische Art“ sind bekannte Beispiele. Und einige davon verwenden wir, um auszudrücken, dass uns etwas ganz und gar fremd und unverständlich ist

Vom tschechischen bis zum vorgetäuschten Dorf

„Das ist ein böhmisches Dorf für mich“ – dieser Ausdruck geht zurück auf die Habsburger Monarchie, zu der auch das Königreich Böhmen gehörte. In Deutschböhmen, dem späteren Sudetenland, wurde Deutsch gesprochen, im Rest Böhmens vorwiegend Tschechisch. Für deutschssprachige Durchreisende waren die tschechischen Ortsnamen fremd und unverständlich und so entstand dieser Ausdruck. Oder auch einfach „Das kommt mir böhmisch vor“, was dasselbe bedeutet.

Die Tschechen auf ihrem benachbarten Stand-Punkt haben darauf natürlich eine andere Sicht. Etwas, das ihnen fremd und unverständlich ist, kommt ihnen „spanisch“ vor. Diesen Ausdruck kennen wir aber auch. Im Deutschen geht die Redewendung auf das 16. Jhdt. zurück, als Karl I König von Spanien die deutsche Kaiserkrone trug und die Deutschen plötzlich spanische Mode, Sitten und Gebräuche kennenlernten. All dieses „Spanische“ erschien den Deutschen so fremd und seltsam, dass dieser Ausdruck zur Redewendung wurde. Das gleiche sagen übrigens die Slowaken, die Kroaten und die Slowenen.

Die meisten Länder verstehen nur Chinesisch

Was machen dann die Spanier? Sie sprechen davon, dass etwas „chinesisch“ klingt, wenn sie es so gar nicht verstehen. Und damit sind sie nicht alleine. Das tun nämlich auch die Franzosen, die Griechen, die Ungaren, die Serben, die Russen, die Ukrainer, die Bulgaren, die Holländer, die Polen, die Letten, die Litauer und die Japaner (und das, obwohl sie bei uns oft selbst als Chinesen durchgehen). Ihnen allen kommt etwas chinesisch vor, wenn es komplett unverständlich ist. Und die Chinesen? Die könnten sich zumindest an einer Landessprache rächen, tun sie aber nicht. Sie verhalten sich wesentlich vornehmer und bezeichnen unverständliches Zeug ganz einfach als „Vogelgesang“ oder als „Sprache vom Mars“.

Zurück zu den Tschechen. Die müssen sich seit Jahrhunderten einiges von ihren Nachbarn anhören. „Böhmisch einkaufen“ heißt stehlen und wenn jemand „eingeht wie eine böhmische Leinwand“ deutet das darauf hin, dass er oder sie zusammenbricht wie ein (minderwertiger) böhmischer Stoff schrumpft. Aber nichts gegen die Russen. Die sind nicht nur als saufende Rüpel verschrien, sondern müssen auch für alles Schlampige, Unordentliche und schlecht Gemachte herhalten: „Russisch gemacht“ ist alles, was eher provisorisch und unprofessionell erledigt wurde und der berühmte „Russenluster“ ist das charmante Wort für eine schmucklose Glühbirne mit Kabel an der Decke. Wenn meine (tschechische) Schwiergermutter davon spricht, dass jemand „so a Russ“ ist, dann ist klar, dass es sich um eine besonders unordentliche und anstandslose Person handelt.

Von russischen Dörfern spricht zwar niemand. Dafür gibt es aber die „potemkinschen Dörfer“, die ein Synonym für Vortäuschungen und Trugbilder sind. Woher das wieder kommt: aus dem 18. Jahrhundert, als der russische Fürst Potemkin der (deutschstämmigen) Zarin Katharina auf einer Krimreise anstelle von echten Dörfern künstlich errichtete Fassaden gezeigt haben soll, um den Wohlstand des Landes vorzutäuschen. Verrückt! Aber vielleicht war der auch einfach „fett wie die russische Erde“.

Übrigens – wenn jemand etwas komplett Schwachsinniges von sich gibt, dann ist das für die Polen „austriackie gadanie“ – österreichisches Gerede.

 

*öst. Ausdruck für „jammern“, lamentieren“
 

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