So ein Tohuwabohu. Die Welt ist wüst und leer.
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer.“ (Mose 1,1)
Was Luther in seiner Bibelübersetzung als „Wüstheit und Leere“ beschrieb, lautete im hebräischen Original „tohu wa vohu“. Dass das Tohuwabohu heute vor allem ein heilloses Durcheinander, ein Chaos und Wirrwarr beschreibt, steht dazu nicht unbedingt in Widerspruch. Das zeigt zum einen die Sprache selbst. Und zum anderen lässt sich auch um uns herum ein Zusammenhang zwischen Wüste und Chaos erkennen – wenn ein wüster Zustand, eine innere Leere, eine abgehärtete, abgestumpfte, abgetötete Seele uns irre, schreckliche Dinge tun lässt und die Welt zu einem chaotischen, verwüsteten Ort macht.
Wie nahe „Leere“ und „Chaos“ einander stehen, demonstriert das Wörtchen „wüst“, das nicht nur „wild“ und „ungezügelt“, „durcheinander“, „grob“ und „schlimm“ bedeutet, sondern auch „verlassen“, „einsam“, „öd“ und unbelebt“ wie die Wüste selbst. Und wie das eine zum anderen führen kann, zeigen wir als Menschen nur zu gut: Wenn es nämlich gerade die Leere und das Verlassensein sind, die uns wüst, durcheinander, grob, kalt und brutal sein lassen. Wenn wir im Inneren so öd und unbelebt, so leblos und leer sind, dass wir nur schwer fühlen können, was wir fühlen müssten. Wenn wir so wenig spüren, dass wir uns selbst quälen, foltern, schlagen, ritzen, schneiden und zerstören oder auch andere quälen, foltern, schlagen, ritzen, schneiden und zerstören müssen, um überhaupt etwas zu spüren und dieses Nichts verschwinden zu lassen. Und wie leer und öd müssen wir erst sein, wie frei von Sinn und Gefühl und Verstand, um Verwüstungen anzurichten, die alles um uns herum und am Ende uns selbst kaputt zu machen drohen?
„Ich schaue die Erde an und siehe, sie ist wüst und leer.“ (Jer 4,23) lautet es mit „tohu wa vohu“ noch einmal in der Jeremiaspassage, wo anschließend ein nachkriegsartiger Zustand beschrieben wird: „(…) kein Mensch ist da (…) alle Vögel des Himmels sind entflohen (…) das Fruchtland ist eine Wüste (…) seine Städte sind niedergerissen (…)“. Wüstheit und Leere in Form von kompletter Zerstörung. Andere Übersetzungen des Alten Testaments beschreiben das “tohu wa vohu” auch als „wüst und wirr“ oder „wüst und öde“. Die Übersetzung des Tanachs, der hebräischen Bibel, spricht hingegen von „Irrsal und Wirrsal“ und scheint damit nicht nur das sichtbare Ergebnis zu beschreiben, sondern auch den zugrundeliegenden Zustand der Erdbewohner.
Dann sehen wir unsere eigene Welt an, und sehen, sie ist all das: sie ist wüst und leer, wirr und irre. Ein wüstes Chaos, in dem Menschen vor kriegerischer Verwüstung fliehen, nur um im nächsten Chaos oder in der völligen Leere und Hoffnungslosigkeit zu landen. Ein Wirrwarr, in dem Verbrecher zu Herrschern werden, Politiker zu Verbrechern, Glaube zu Politik, Politik zur Glaubensfrage, in dem manche alles tun können und andere nichts. Ein irres Durcheinander, in dem wir uns kaum noch entscheiden können, welche wüsten Schäden wir als erstes sehen und in Angriff nehmen sollen. Wüste Kämpfe an so guten wie allen Orten. Es geht sowas von wüst zu, wohin das Auge reicht. Das Herz reicht ja schon längst nicht mehr soweit. Welches Herz sollte es auch aushalten, da noch hinzusehen?
Ein wüstes, vielleicht. Ein leeres. Vielleicht aber auch eines, das richtig schön voll ist – voller Kraft, Gefühl, Zuversicht und guter Hoffnung, dass wir dieses Tohuwabohu wieder in Ordnung bringen.
Bild: Pixabay
Zusätzliche (zu den hier genannten) Quellen:
– bibelserver.com
– bibeltext.com
– bibel.github.io