21
Feb
2016
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Blogs und Politik: Wo Wölfe im Schafspelz die Hosen runterlassen dürfen.

Dass der Artikel einer Tageszeitung davon berichtet, wie ein Politiker bei einer Rede die Hosen herunterlässt, hätte sich sowohl im buchstäblichen als auch sprichwörtlichen Sinne verstanden nicht ganz passend angefühlt. Als sich jedoch herausstellte, dass es sich gar nicht um einen gewöhnlichen Artikel, sondern einen Beitrag im derStandard.de Blog zum Thema Stadt, Land, Politik handelte, klang das Bild der nackten Beine plötzlich gar nicht mehr so befremdlich. Denn ein Blog darf schließlich sprachperlenspielen. Aber: warum eigentlich?

Sicher vor allem deshalb, weil Blogs nicht als objektive Berichterstattung durchgehen müssen, sondern ihrer Natur nach einen Meinungsbeitrag darstellen. Ähnlich einem Kommentar, einer Glosse oder einer Kolumne. Und hier sind es oft gerade die deutlichen, wenn auch nicht immer allervornehmsten Bilder, die unserer ganz persönlichen Stimme den stärksten Ausdruck verleihen.

Offene Karten

Ein weiterer Grund liegt aber bestimmt darin, dass das Bild der entblößten Beine oder gar des blanken Hinter- und Vorderteils zu viel Nacktheit in Leserköpfen hervorrufen würde, um es mit unserem Scham-, Moral oder Taktgefühl zu vereinbaren. Denn tatsächlich ist es wohl genau dieses Bild, das die Redewendung mit ihrer heutigen Bedeutung aufgeladen hat: das Entblößen, sich auf intimste Weise zeigen und unser Geheimstes preisgeben. In diesem Sinne fand die Wendung zuerst ihren Weg in das Skatspiel, wo sie verwendet wird, wenn die Karten im Falle eines so genannten „Null ouvert“ offen auf den Tisch gelegt werden müssen. Die Aufforderung des Gegenspielers, die Hosen herunter zu lassen, bedeutet hier also, die Karten aufzudecken. Und dass unsere Art zu spielen immer wieder viel über unsere Art zu leben zu sagen hat, zeigen weitere Sprachperlen: Wer mit offenen Karten spielt bzw. die Karten auf den Tisch legt und nichts verbirgt, der agiert für gewöhnlich ehrlich und ohne (falsche) Hintergedanken. Wer sich hingegen nicht in die Karten schauen lässt, hat sehr wohl etwas zu verbergen. Oder weiß sich gut zu schützen.

Falsches Schaf

Die heruntergelassenen Hosen allein hätten dem Blogbeitrag auf derStarndard.at über den oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner wahrscheinlich noch kein ganzes Sprachperlenspiel eingebracht. Autor Markus Rohrhofer hat sich allerdings mit seinem Text als passionierter Sprachperlenspieler erwiesen und darin einige weitere Perlen ins Rollen gebracht, wie etwa den Wolf im Schafspelz, auf den er bereits mit der „blauen Schur“ im Titel anspielt. Die Wendung über den Wolf in der Tarnung des gutmütigen Schafes stammt entgegen gängiger Annahmen aus der Bibel, genauer gesagt aus einer Predigt Jesu im Neuen Testament, in der es heißt: Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe (Mt 7,15 ELB).

Blöder Hund

Und so ist das ja oft, mit den falschen Propheten, die laut von den Podien und Kanzeln herunterplärren. Sie entpuppen sich als Wölfe, deren Absichten gar nicht so wohlig weich sind, wie die guten Versprechen, die sie den Kuschelbedürftigen geben. Richtig harte Hunde sind sie sogar manchmal, wie Markus Rohrhofer in seinem Beitrag mit einer weiteren tierischen Wendung beschreibt. Und gerade über die Hunde könnten ganzen Sprachperlenspiele verfasst werden, denn sie haben sprachlich gesehen noch viel mehr zu sagen, als nur über Härte. Arme Hunde gibt es da beispielsweise, coole und natürlich blöde Hunde. Außerdem können wir auf den Hund kommen, vor die Hunde gehen oder auch herausfinden, wo der Hund begraben liegt. Dass er tatsächlich der beste (oder einzig wahre) Freund des Menschen sein kann, zeigt sich heute außerdem oft besonders deutlich in dem Phänomen der menschenhassenden Tierliebhaber. Oder der tierlieben Menschenhasser, oder wie man es eben nennen mag, wenn da beispielsweise in sozialen Medien die gnadenlosesten Hasstiraden gegen schutzsuchende Kinder und Erwachsene neben mit Herzchen und Liebesbotschaften verzierten Bildern von Haustieren oder moralischen Appellen gegen die Fleischindustrie zum Schutz der Tiere stehen. Woraus sich dieser Zusammenhang ergibt, konnte sich mir bisher nicht erschließen.

Markus Rohrhofer kommt in seinem Blogbeitrag jedenfalls schließlich mit einer letzten sprachlichen Perle zum Ende und erwähnt, dass es womöglich bald kracht im Gebälk von Blau-Schwarz. Ein Bild, dass die große Spannung beschreibt, die, wie etwa das Krachen in Holz- oder Fachwerkbauten, einen bevorstehenden Einsturz vorhersagen kann. Und eines, das wir ebenfalls nicht unbedingt in einem Artikel auf Seite 2 oder 3 oder 4 unserer Tageszeitung erwarten würden. Vielleicht sind Sprachperlen also einfach zu wenig seriös, zu laut, nicht neutral oder nicht glatt genug, um unserer Auffassung von seriöser Sprache gerecht zu werden. Aber Gott sei Dank gibt es ja Blogs. Und Meinungen.

 

Urheber Bild: stevanovicigor / 123RF

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