Wenn Bescheidenheit nicht leuchten kann. Und was ist eigentlich ein Scheffel?
Bescheidenheit ist eine so wichtige Tugend. Deshalb haben wir auch von klein auf gelernt, dass es falsch ist, zu prahlen, dass wir nicht darüber sprechen sollen, wie gut wir sind und nicht zu stolz auf unsere Erfolge sein dürfen, weil man das nicht macht.
Aber warum eigentlich?
Vielleicht, weil wir schon an unseren ersten Heldinnen gesehen haben, dass Hochmut irgendwann zum Fall gerät und Bescheidenheit am Ende siegt. Zum Beispiel, als die eingebildete Stiefmutter am Ende starb, während das schöne Schneewittchen und das großherzige Aschenputtel – beide bescheiden, fleißig und lieb – letztendlich ein glückliches Leben voller Liebe und Reichtum führen durften. Vielleicht aber auch, weil wir stärker von christlichen Werten geprägt sind, als wir denken. Immerhin ist Hochmut eine Todsünde und im Neuen Testament zählt Bescheidenheit sogar zu einer der zwölf Früchte des Geistes.Ja, vielleicht. Aber vielleicht ist es auch ganz anders.
Die Bibel sagt, wir sollen leuchten.
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel“, sagen wir. Und jedem ist klar, worum es geht: die eigenen Leistungen nicht hinter zu viel Bescheidenheit verstecken. Anders ausgedrückt: Sei ruhig stolz auf dich und was du kannst und tust und spiel das nicht herunter.
Und woher kommt die Redewendung? Aus dem Neuen Testament. Dem Buch Matthäus, um genau zu sein, wo es heißt:
„Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Matthäus 5,14-16
Der Scheffel bezeichnet dabei eine Art Behälter bzw. ein Hohlmaß, mit dem z.B. Getreide gemessen wurde. Wenn man ihn über ein Licht stellt, verschwindet es oder verlischt vollkommen. So wie ich Matthäus also hier verstehe, sollen wir unsere „guten Werke“ sichtbar machen, das eigene „Licht leuchten“ lassen und es nicht unter einem Eimer verstecken. Nein. Wir sollen es sogar hochhalten, damit es auch allen anderen leuchten kann.
Viellleicht ist sie also gar nicht so tugendhaft, die Bescheidenheit. Vielleicht dürfen wir ruhig unser Licht leuchten lassen. Und vielleicht ist es dann auch sogar schön, das Licht der anderen leuchten zu sehen. „Bescheidenheit ist eine Tugend, die man vor allem anderen schätzt.“ Das sagte der französische Offizier und Schriftsteller Francois VI. Duc de La Rochefoucauld angeblich im 17. Jahrhundert. Und damit hat er vielleicht auch heute noch Recht. Aber was, wenn wir es es einfach einmal anders sehen? Auch dieses Sprichwort findet: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“
Hallo Frau Stefan,
ja, ich bin auch von dieser “Tugend” Bescheidenheit befallen. Das wurde mir von klein auf so beigebracht. Dazu muss man wissen, dass ich selbst aus einem katholischen Elternhaus komme und Hochmut als eine der “sieben Todsünden” natürlich in der Erziehung eine gewisse Rolle spielte. Mir fällt es heute oft noch schwer, ein fremdes Lob für eine erbrachte Leistung anzunehmen. Zum einen, weil ich mich nicht über andere stellen will, zum anderen, weil ich selber perfektionistisch veranlagt bin (leider auch keine so gute Eigenschaft). Aber falsche Bescheidenheit kommt ja nun mal bei den Mitmenschen auch nicht so gut an. Kurzum: Man darf zu seinen Talenten stehen und einen gesunden Stolz entwickeln. So würde ich das Matthäus-Wort auch verstehen.
Danke, Martin! Das sehe ich genauso 🙂 Stolz ist gar nichts Schlechtes – im Gegenteil. Perfektionismus an sich bestimmt auch nicht, allerdings ist es doch sehr anstrengend, ständig nach etwas zu streben, das es doch eigentlich nicht gibt – die Perfektion! Deshalb leben wir vielleicht einfach ein wenig unbeschwerter, wenn wir nicht perfektionistisch sind… und trotzdem stolz sein dürfen 🙂