5
Okt
2014
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Katzelmacher sind keine tiermordenden Italiener. Aber vielleicht Roma.

Es gibt unterschiedliche Wörter, die wir (in Österreich) verwenden, um über die Italiener zu schimpfen, die wir – abgesehen von ihren schönen Stränden, ihren schönen Städten, ihren schönen Schuhen, ihrer schönen Mode, ihren schönen Frauen, ihren schönen Männern und nicht zu vergessen ihrem super Essen – anscheinend gar nicht so gut finden.

Zunächst gibt es da die „Itaker“, eine Bezeichnung, die schon im ersten Weltkrieg in der Form „Itak“ so ähnlich existierte und dann im zweiten Weltkrieg als Abkürzung für „Italienischer Kamerad“ wieder gebräuchlich wurde. Besonders nett ist es heute nicht, von Itakern zu sprechen. Aber es geht noch schlimmer.

Bringen Italiener Kätzchen um?

Von „Katzelmachern“ ist immer noch manchmal die Rede. Woher kommt dieses seltsame Wort? „Von kleinen Kätzchen“, wird manchmal erklärt, „die in Italien derart überhandnahmen, dass die Italiener sie reihenweise umbrachten“. Wow. Oder doch umgekehrt, heißt es dann wieder – die Italiener ließen ihre Katzen immer so schrankenlos umherziehen, dass sie sich rasch vermehrten und unendlich viele Kätzchen „gemacht“ wurden.Bestand tatsächlich jemals eine Katzenplage in Italien?

Laut wie die Kesselflicker

All das scheint, Gott sei Dank, nicht zu stimmen. Hinter dem Wort „Katzelmacher“ stecken nämlich keine Kätzchen, sondern das lateinische Wort „catinus“, Mittelhochdeutsch „kezzel“, also einfach der Kessel. Ein Katzelmacher ist demnach kein Katzenmörder, sondern ein Kesselmacher, auch „Kesselflicker“ genannt, oder auch „Kesselbesserer“, „Kesselbüßer“, „Kessellapper“, „Ketelflicker“, „Ketellapper“, „Pottlapper“ oder „Rastelbinder“. Sie waren fahrende Handwerker, die von Ort zu Ort reisten, um dort Kessel und Töpfe zu reparieren. Und ihr Ruf war schlecht. Das lag zum einen daran, dass sich die ansässigen Schmiede von der Konkurrenz und ihrem speziellen Können bedroht fühlten und zum anderen daran, dass diese Kesselflicker als laut und unzivilisiert wahrgenommen wurden. Bis heute hat sich dieses Bild in unserer Sprache gehalten: „Sich streiten, schlagen oder schreien wie die Kesselflicker“ deutet unmissverständlich darauf hin, was die Menschen von den Kesselmachern hielten. Aber ein wesentlicher Grund dafür, dass diese fahrende Zunft ein so schlechtes Ansehen genoss, war sicher der, dass sie nun einmal fremd waren. Und dass ihr Lebensstil – das Umherziehen – noch viel fremder und unverständlicher erschien.

Fahrende Völker fahren nicht immer freiwillig

Diese Thematik kennen wir ja. Bis heute werden Roma und Sinti* als „Zigeuner“ verachtet und quer durch sämtliche Länder, Völker und Bevölkerungsschichten abgelehnt. Eine kürzlich durchgeführte Forsa-Umfrage hat erst wieder ergeben, dass ein Drittel der Deutschen Roma und Sinti in der Nachbarschaft ablehnen. Laut der Umfrage sei die Sympathie für Roma und Sinti noch geringer als für andere Minderheiten, wie etwa Muslime und Asylbewerber. Folgende Fakten fand ich in diesem Zusammenhang besonders interessant:

  • Roma und Sinti werden immer noch als umherziehende Bettler und Verbrecher angesehen. Tatsächlich aber leben Roma bereits seit 700 Jahren als Ortsansässige in Österreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern.
  • Es stimmt wohl, dass Roma in Europa Jahrhunderte lang als fahrendes Volk bekannt waren. Es stimmt aber auch, dass sie Jahrunderte lang aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung gar keine andere Wahl hatten, als von Ort zu Ort zu ziehen.
  • Es stimmt nicht, dass das Wort Zigeuner“ aus „ziehender Gauner“ entwickelt hat. Es kommt vermutlich aus dem mittelgriechischen Wort „athinganoi“, der Bezeichnung für eine gnostische Sekte in Phrygien. Weitere Herleitungen besagen, der Begriff käme von dem persischen Wort „ciganch“, das “Musiker” oder “Tänzer” bedeutet, oder auch „asinkan“, dem persischen Wort für “Schmiede”. Oder aber auch von dem alttürkischen Wort “čïgāń”, das “arm” und “mittellos” bedeutet.

Und tatsächlich war das Reparieren von Küchengeräten lange Zeit eine Spezialität bestimmter Roma-Gruppen in Süd- und Osteuropa, allen voran der Kalderaš. Bis heute wird das Handwerk immer noch von Roma in Rumänien ausgeübt. In den meisten anderen Ländern wurde es längst aufgrund immer einfacher verfügbarer, industriell hergestellter Neuwaren obsolet. Es verschwindet also, das Katzelmacher-Handwerk. Was sich hingegen beständiger hält, sind die Stereotype, auch in der Sprache.

 

* Während in der Bundesrepublik Deutschland „Sinti und Roma“ als allgemein anerkanntes Wortpaar für die Gesamtminderheit der Roma einschließlich ihrer vielen Untergruppen gilt, ist in Österreich die Variante „Roma und Sinti“ gebräuchlich, die auch ich in meinem Blog verwende.

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