Na sehr super! Wenn die Sprache lügt, kann es ironisch werden.
Die Sprache ist schon manchmal ein hinterfotziges Luder. Wie auch wir das oft tun, um gewisse Dinge nicht beim (vielleicht unangenehmen) Namen zu nennen, verwendet sie hie und da Ausdrücke, die genau das Gegenteil von dem meinen, was sie eigentlich sagen. Wenn wir selbst diese Strategie anwenden, nennen wir das oft Ironie.
Da sagen wir dann im Grunde etwas Falsches und werden trotzdem richtig verstanden. Im besten Fall zumindest, denn die Fähigkeit, die wahre Bedeutung hinter einer solchen Ironie zu verstehen, lernen wir normalerweise irgendwann im Laufe unserer Kindheit. Ein „na großartig!“, „ganz toll!“ oder auch ein „na sehr leiwand!“ kann je nach Kontext auch „so ein verdammter Mist!“ bedeuten (um nicht noch weniger feine Ausdrücke zu verwenden). Eine Regel scheint es hier nicht zu geben und trotzdem erkennen wir ironische Aussagen, wenn wir sie hören oder sehen. Das ist es unter anderem auch, was die menschliche Kommunikation so einzigartig und faszinierend macht: die Fähigkeit, komplex und abstrakt zu denken, zu verstehen und zu sprechen.
Älter bedeutet jung und ganz bedeutet nur halb
Manchmal verstößt die Sprache aber gegen ihre eigenen Regeln. Das kann noch recht subtil und ganz ohne Ironie ausfallen, wenn es zum Beispiel um bestimmte Bedeutungs-Nuancen geht. So steht das Wort „ganz“ doch eigentlich für “sehr” oder auch „vollkommen“ und ist im Grunde eine Verstärkung. Trotzdem ist allen klar, dass die Aussage „Der Film war ganz gut.“ ein weniger tolles Urteil ist als „Der Film war gut!“. Und obwohl „älter“ doch eigentlich eine Steigerungsform von „alt“ ist, verstehen wir alle, dass eine alte Frau wirklich sehr alt ist, während eine ältere Frau noch ein wenig jünger sein muss. Verwirrend, oder?
Die Faust am Auge und der Beinbruch als Glück
Auch in unseren Redewendungen finden sich vermeintlich falsche Aussagen. Wenn zum Beispiel etwas passt, wie die Faust aufs Auge, dann verstehen wir, dass etwas perfekt ist und passt, als wäre es immer schon genauso gedacht gewesen. Obwohl ja gerade die Faust wirklich nichts auf einem Auge zu Suchen haben sollte. Eine Theorie besagt, dass dieser Ausdruck ursprünglich sehr wohl seine offensichtliche Bedeutung hatte, also etwas komplett Unpassendes, Widersprüchliches bezeichnete. Im Laufe der Zeit wurde er allerdings so oft ironisch eingesetzt, dass er irgendwann nur noch in seiner heutigen, umgekehrten Bedeutung Verwendung fand. Die Ironie wurde zur Wahrheit.
Ähnlich widersprüchlich erscheint der „Hals und Beinbruch“ als wohlgemeinter Glück- und Segenswunsch. Dieser hat jedoch eine etwas andere Entstehungsgeschichte: Allem Anschein nach geht er auf das jiddische „hazloche un broche“ zurück, das übersetzt „Glück/Erfolg und Segen“ bedeutet. Im Deutschen wurde diese Wendung dann in etwa mit derselben Bedeutung übernommen, aber leider ein wenig anders ausgesprochen und sozusagen “verballhornt”, wie es oft heißt (ein bisschen erinnert uns das doch an den „Schmafu“ und „mutterseelenallein“, die beide aus französischen Redewendungen entstanden). So kam es schließlich, dass wir bis heute mit diesem eigentlich furchtbaren Bild anderen Menschen Glück und Erfolg wünschen.
Das Blöde an den Gutmenschen
Die Sprache hat aber auch ein paar einzelne Wörter, die nicht ganz ehrlich mit uns sind. Wie den Gutmenschen, zum Beispiel, der doch so positiv sein könnte, wenn er nicht ebenfalls eine ironische Wandlung durchgemacht hätte. Oft wird behauptet, der Begriff ginge auf Friedrich Nietzsches „guten Menschen“ zurück, über den er in seinen Werken recht verächtlich sprach, jedoch nie ausdrücklich mit dem Wort „Gutmensch“ bezeichnete. Andere meinen, der Begriff wurde im 19. Jahrhundert von dem Pädagogen Christian Oeser geprägt, der in einem seiner Bücher über den „Gutmenschen“ als naive und schwache, sogar verlachte Person spricht.
Die Naivität, die in beiden Erwähnungen mitschwingt, ist auch eine Eigenschaft des heutigen Gutmenschen. Mit übertriebener politischer Korrektheit wird er oft in Verbindung gebracht, vielleicht sogar mit bewusst zur Schau gestellter. Und vor allem weltfremd sei er, der Gutmensch, so wird es oft behauptet und in diesem Sinne auch als ein alles schlagendes Argument gegen jene verwendet, die sich für das “Gute” einsetzen, vor allem dort, wo es für uns nicht immer so bequem ist. Anderen Ländern helfen? Flüchtlingen helfen? Sich für Gerechtigkeit einsetzen? Vielleicht sogar noch auf die eigenen Kosten? Das sind dann gerne mal “linke Gutmenschen”, naive, weltfremde Dummchen, die zwar von großen Wundertaten träumen und auch sprechen, die harte Realität aber nun einmal nicht erkennen und schon gar nicht verstehen. Die Herabwürdigung zum Gutmenschen dient also auch als Waffe – und oft als sehr effektive Waffe, denn wer realitätsfern und nicht ernst zu nehmen ist, dem muss schließlich nicht geglaubt oder ideologisch gefolgt werden.
Ist der Gutmensch aber jetzt schlecht oder kann er doch auch gut sein? Vor allem ist er ein Beispiel dafür, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. Auch in der Sprache nicht.
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