6
Okt
2015
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Aus dem Häuschen sind Narren in Paris. Und im Haus, da wohnt die Seele.

Wer einem Kind zeigt, wie ein Haus gezeichnet wird, macht es (hierzulande) höchstwahrscheinlich so: Ein Viereck unten, ein Dreieck oben drauf, zwei Fenster, eine Tür und ein Schornstein mit Rauch. Das „Haus“ könnte zwar seiner Definition nach auch ein Hochhaus sein, ein Geschäftsgebäude oder ein Reihenhaus. So eines zeichnen wir aber nicht – wir zeichnen das zweistöckige Einfamilienhaus mit rotem Satteldach. So tun es dann auch unsere Kinder: links oder rechts davon Mama und Papa, Brüder und Schwestern, Omas und Opas, Haustiere, ein Baum, Blumen, eine Sonne und eventuell ein paar Wolken. Und plötzlich wird das Viereck mit dem Dreieck oben drauf zu mehr als nur unserem kulturspezifischen Symbol für den Begriff “Haus”. Es wird zum Symbol für Zuhause, für Daheim und vielleicht sogar für Heimat.

Und das nicht nur für Kinder. Denn das Haus, im besten Fall das eigene, ist doch der Inbegriff des eigenen Platzes in der Welt, des Nestes, in dem die Familie sicher und geschützt wachsen und leben kann. Schutz und Sicherheit bedeutet es also, das Haus. Und so ähnlich erzählt es auch seine sprachliche Geschichte. Denn die althochdeutsche Form hûs bedeutete so viel wie „das Bedeckende“, „das Bergende“, und seine indogermanische Wurzel *kû oder *[s]keu stand ursprünglich für das „Umhüllen“ und den „Schutz“. Verwandt ist das Haus mit dem althochdeutschen hût, das heute in Wörtern wie „Hütte“, „Haut“, „behüten“ und natürlich dem „Hut“ steckt. Unser Haus, das beherbergt uns, behütet und beschützt uns. Und das nicht nur als Gebilde aus Ziegeln oder Stahlbeton, denn schon lange gilt auch als Symbol für den Leib, den Körper, in dem unsere Seele und unser Geist wohnen, wo unser Innerstes zuhause ist.

Wenn der Narr aus dem Häuschen kommt und mit der Tür ins Haus fällt

Möglicherweise ist es dieses Bild, das es uns sprachlich ermöglicht hat, ganz aus dem Häuschen zu sein. Denn einer Erklärung zufolge beschreibt diese Wendung das Heraustreten (des Geistes) aus dem eigenen Körper in einem ekstatischen Zustand großer Freude. Ebenso möglich wäre jedoch ein Ursprung im Französischen, genauer gesagt in dem französischen Namen einer Pariser Nervenklinik des 16. Jahrhunderts, die „Petites Maisons“ oder eben „Kleine Häuser“ genannt wurde. Entkam jemand aus dieser Anstalt, war buchstäblich „ein Narr aus dem Häuschen gekommen“.

Auch wer mit der Tür ins Haus fällt missachtet mehr als nur physische Schutz- und Hausmauern. Es sind unsere persönlichen, zwischenmenschlichen Grenzen, die übertreten werden. Denn zwar öffnen wir im Normalfall unsere geistigen Türen und Tore ganz gerne für jene, die alle in unserer Kultur gängigen Bräuche und Regeln der Kommunikation einhalten. Wer aber ohne Anzuklopfen, ohne Vorbereitung, Annäherung, vertraute Floskeln oder zumindest eine gewisse Behutsamkeit vorprescht und unsere Tür einrennt, der ist uns schnell einmal wenig willkommen. So auch diejenigen, die ihre Anliegen allzu plump und unvermittelt vorbringen, selbst wenn sie sich schon im Vorhinein mit dieser schönen Redewendung dafür entschuldigen, mit der Tür ins Haus zu fallen.

Heimat ist, wo wir uns niederlassen?

Das Haus ist also Schutz, Sicherheit, ein Platz in dieser Welt, der Ort, an dem unsere Seele wohnt. Und vielleicht sogar ein Zuhause. Daheim ist Daheim, heißt es ja. Oder: es geht nichts über das eigene Zuhause. Das eigene Heim als Heimat. Und zwar Heimat nicht im Sinne nationalsozialistischer Ideologien oder kitschiger Heimatfilme, sondern im Sinne eines Ortes des Ankommens und Angekommen-seins. Heute wird die Heimat oft als jener Ort verstanden, an dem wir geboren wurden und aufgewachsen sind. Für andere ist Heimat aber ganz einfach dort, wo sie sich entschieden haben, zu leben. Oder die Menschen, mit denen sie sich entschieden haben, zu leben. Und auch die Sprache meint, dass Heimat nicht unbedingt etwas mit Ursprung und Herkunft zu tun hat. Denn das Heim, das Daheim und die Heimat gehen alle auf eine sprachliche Wurzel zurück, die schlicht den Ort beschreibt, an dem wir uns niederlassen. Woher wir kommen, wo wir vorher waren und was der Grund unseres Niederlassens ist, das hinterfragt die Sprache nicht. Die Sprache eben… Da ist sie schon so alt und immer noch so unserer Zeit voraus.

 

Urheberrecht Bild: anthonycz, 123rf

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