9
Mrz
2015
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Hinz & Kunz oder Krethi & Plethi. Wir sind doch nicht Jedermann.

Über die Generation Y – also die wie ich zwischen etwa 1977 und 1999 Geborenen – wird ja immer wieder viel gewusst und viel geschrieben. Verwöhnt und narzisstisch seien wir, immer alles gehabt hätten wir, von unseren Eltern verhätschelt worden wären wir, in Watte gepackt und mit Selbstvertrauen, Bildung und Technologie vollgepumpt. Und trotzdem sind wir immer unzufrieden.

Keiner will jeder sein, aber jeder besonders.

Doch so einfach ist es dann auch wieder nicht. Bei all dem Luxus und den unbegrenzten Möglichkeiten haben wir schon auch mit ein paar Schwierigkeiten zu kämpfen, die früheren Generationen fremd waren: ein immer härter werdender Kampf um Arbeitsplätze, steigende Anforderungen in so gut wie allen Berufen und die Erwartung, angesichts der genannten unbegrenzten Möglichkeiten etwas ganz Herausragendes tun und schaffen zu müssen. Oder uns zumindest selbst zu verwirklichen. Für unsere Beziehungen bedeutet das: sie sollten mindestens die große Liebe, die beste Freundschaft, das tollste Sexualleben, die Aussicht auf Familie (Aber Achtung! Nur, wenn sie sich mit der Selbstverwirklichung in Einklang bringen lässt) und möglichst immerwährendes Glücklichsein verbinden. Ansonsten müssten wir uns vielleicht doch noch einmal umsehen.

Zu all dem kommt dann noch dieses Gefühl, dieser Wunsch oder die Erwartung, auf dieser Welt doch jemand ganz Besonderes zu sein. Und diese Erwartung ist gar nicht so leicht zu erfüllen. Vor allem, wenn sie alle haben.(1)

Von der sprachlichen Durchschnittlichkeit.

Wie immer wollen wir das alles aber auch von einem sprachlichen Blickwinkel aus betrachten und dabei zeigt sich, dass wir das Durschschnittliche, das Gewöhnliche und Nicht-Besondere wohl auch schon vor der Generation Y blöd fanden. Oder zumindest nicht erstrebenswert. Das verraten unter anderem die Herrschaften Hinz und Kunz und Krethi und Plethi, die vielleicht Jedermann sind, aber ganz bestimmt nicht wir.

Beide Wendungen werden heute in gleicher Bedeutung und fast ausschließlich im negativen Sinn für „alle möglichen Leute“ verwendet. Sie bezeichnen die Masse, zu der wir nicht gehören wollen – die X-Beliebigen, Gewöhnlichen, die ganz und gar nicht Besonderen.

Hinz und Kunz sind Kurzformen der Namen Heinrich und Konrad, die im Mittelalter viele Herrscher trugen und die in Folge auch im Rest der Bevölkerung sehr häufig vorkamen. Aufgrund dieser inflationären Verwendung erhielten die Namen ihre negative Bedeutung – und das bereits ab dem 13. Jahrhundert.

Krethi und Plethi sind sogar noch ein wenig abwertender. Sie stammen wohl aus der lutherschen Bibelübersetzung, wo sie die Soldaten der Leibwache König Davids bezeichneten. Diese waren Kreter bzw. Philister (Plether) und somit Angehörige verschiedener Völker. Als Symbol der königlichen Macht waren diese Soldaten gefürchtet und entsprechend unbeliebt. Laut Duden wurde das Wortpaar  “Krethi und Plethi” schon zu Luthers Zeiten für die „gemischte Gesellschaft“ verwendet. Heute steht es aber vor allem für „alle möglichen (eher als minder eingeschätzten) Mitmenschen“.

Und wie wird der Durchschnittsbürger in einem weniger abwertenden Kontext genannt? Nun, so richtig wertfrei sprechen wir ja eigentlich nie von dem schnöden Mittelmaß. Doch der Otto Normalverbraucher geht vielleicht schon in eine etwas neutralere Richtung. Der Name stammt übrigens aus dem Spielfilm Berliner Ballade (2) aus dem Jahr 1948, der unter anderem das Leben des Herrn Otto Normalverbraucher, eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten im Berlin der Nachkriegszeit, erzählt.

Dann gibt es noch Lieschen Müller, die auch immer wieder als repräsentative (deutsche) Durchschnitts-Konsumentin eingesetzt wird. Doch auch sie wird oft für naiv und ein bisschen einfältig gehalten. Ihr Name geht laut Duden auf die Durchschnittlichkeit des Vornamens „Lieschen“ und die Häufigkeit des Nachnamens „Müller“ zurück. Und auch sie ist die Hauptfigur eines Films: Der Traum von Lieschen Müller (3) aus dem Jahr 1961.

In Österreich ist Lieschen übrigens nicht so berühmt. Da sprechen wir eher von Herrn und Frau Österreicher. Die sind auch ziemlich durchschnittlich. Das haben sie wohl alle gemeinsam. Aber wer weiß, vielleicht brauchen ja nicht alle etwas ganz Besonderes, um sich ganz besonders zu fühlen.

 

 

(1)  Großartig auf den Punkt gebracht hat das vor einigen Monaten Tim Urban in diesem Artikel.
(2) Berliner Ballade (Wikipedia)
(3) Der Traum von Lieschen Müller (Wikipedia)
 
Urheberrecht Bild: Johan Swanepoel / 123rf

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