14
Nov
2014
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Ein Blatt vor dem Mund und ein Fell im Wasser. — Wenn Wörter in jedem Kopf andere Bilder malen.

Das Schöne an Bildern im Kopf ist, dass sie für jeden anders aussehen. Das ist auch so, wenn sie von Wörtern gemalt werden. Oftmals gerade dann. Natürlich sind die Unterschiede besonders groß, wenn verschiedene Kulturen im Spiel sind. Da kann man übersetzen, so viel man will – gleiche Wörter malen nun einmal nicht unbedingt dieselben Bilder.

Ein Kind in Lappland wird bei dem Wort „Baum“ (auch in seiner Sprache) nicht unbedingt an einen Laubbaum im eigenen Garten mit dicker Laubkrone und roten Äpfeln denken. Und Schulkinder in Bangalore werden wahrscheinlich ein „Haus“ auch nicht als zweistöckige Einfamilien-Villa mit rotem Ziegeldach zeichnen.

Von welchem Baum stammt das Blatt vor dem Mund?

Die Bilder sind aber auch innerhalb derselben Kultur nicht immer gleich. Auch nicht innerhalb unseres persönlichen Umfeldes. Ich habe mir einmal mit Kolleginnen die Frage gestellt, welche Art von Blatt wir uns „nicht vor den Mund nehmen“, wenn wir sehr offen und unverblümt unsere Meinung äußern. Ein Blatt Papier? Ein Baumblatt? Und wenn ja, von welchem Baum? Wir haben mehrere Leute befragt und jeder sah das ein bisschen anders. Ich selbst sah ein Blatt Papier. Andere ein Feigenblatt (was auch sehr logisch wäre, es hatte ja immer schon die Aufgabe, Unzeigbares zu verdecken). Wieder andere hatten einfach das Bild irgendeines Laubbaum-Blattes im Kopf.

Die Redwendung geht zurück auf eine alte Theatersitte, der zufolge sich Schauspieler Blätter vor das Gesicht hielten, um unerkannt zu bleiben – zum Beispiel wenn sie in umstrittenen (regierungskritischen oder obszönen) Stücken mitwirkten und Angst vor späteren Konsequenzen hatten. Diese Sitte entstand irgendwann im 13. Jahrhundert, als es im Theater noch keine Masken gab. Und anscheinend handelte es sich tatsächlich um ein Baumblatt, so wird es zumindest mehrheitlich ausgelegt. Ich habe allerdings bisher keine Quelle gefunden, die das sicher bestätigen kann und auch keine näheren Informationen darüber, von welchem Baum diese Blätter nun stammten. Ich bleibe an der Sache dran – versprochen.

Und warum schwimmen Felle im Wasser?

Die Bilder im Kopf können noch weiter auseinander gehen, wenn wir die Wörter, die sie malen, schlichtweg falsch verstehen. Ich selbst kam erst nach etwa 31,5 Lebensjahren dahinter, dass wir gar nicht von davonschwimmenden „Fällen“ sprechen, um zu sagen, dass es in einer bestimmten Angelegenheit keine Hoffnung mehr gibt, sondern von davonschwimmenden „Fellen“. Also Tierfellen. Aber damit bin ich anscheinend alleine, denn alle anderen meinen, dass eh immer schon gewusst zu haben.

Dieser Ausdruck kommt übrigens aus dem Gerberhandwerk. Wenn Rinderhäute zu Leder verarbeitet wurden, mussten sie immer wieder mit Wasser gespült werden. Wenn dabei aus Versehen eines in den Fluss fiel, dann war’s das mit dem kostbaren Fell – und dem Einkommen.

Solchen Irrtümern bin ich oft jahrelang erlegen. Man denke nur einmal an Lieder. Bevor der Aufruhr um Miley Cyrus’ „Wrecking Ball“ Video losging und ich sie erstmals die Abrisskugel ablecken sah, sang ich im Auto immer ganz laut von einem „Rainbow“. Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Aber die stehen (vielleicht) in einer anderen Geschichte.

 

Urheberrecht Bild: jannoon028/ 123RF Stockfoto

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