23
Dez
2015
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Aber was wirklich zählt, sind Zahlen.

Sprache ist super! Finde ich, genauso wie ganz viele andere, die von Worten und ihrem speziellen Zauber so fasziniert sind. Zahlen hingegen – für die sprechen nur ganz wenige offen ihre Liebe aus. Im Gegenteil – es ist total okay, zuzugeben, dass wir Zahlen und ihre Logik nicht verstehen und auch gar nicht verstehen wollen. Langweilig seien sie, trocken und fantasiefeindlich. Deshalb ist auch fehlendes mathematisches Talent in Ordnung, bzw. sogar ein bisschen sexy, solange es sich durch unsere doch so feinen sprachlichen Sensoren und Fähigkeiten erklären lässt. Ganz gelegen kommt uns auch, dass wir uns als Team Sprache gleichzeitig zu dem etwas hochgeistigeren und kreativeren Teil der Bevölkerung zugehörig fühlen. Dabei sind es in Wahrheit doch gerade die Zahlen, die uns den ganzen Tag beschäftigen. Es ist doch das Zählen, das permanent dazu benutzt wird, ein wenig Ordnung in unseren Köpfen zu schaffen. Und zählen tun wir die ganze Zeit – alles, immer und überall.

Jetzt gerade? Zählen wir auch. Wahrscheinlich die Male Schlafen bis Weihnachten, Silvester und zum Beginn eines hoffentlich genauso guten oder doch bitte viel besseren neuen Jahres. Wir zählen die Kerzen am Kranz, die Geschenke, die noch zu besorgen sind, das Geld, das wir dafür ausgeben müssen, dürfen oder wollen. Wir zählen die verbleibenden Arbeitstage, die Stunden, Abende oder auch Tage, die wir für Weihnachtseinstimmung und –vorbereitung zur Verfügung haben, die Kekse die wir backen und vor allem die, die wir nicht essen sollten. Wir zählen die Beträge, Kleider oder Geschenkboxen, die wir gespendet haben und sehnen uns danach, diese Zahlen in ein zählbar gutes Gefühl umwandeln zu können – wie zum Beispiel das Gefühl, die Welt sei vielleicht doch nicht so ungerecht, wie sie täglich beweist zu sein. Angesichts des neuen Kalenderjahres versuchen wir wahrscheinlich auch, zu zählen, wie viel Zeit vergangen ist, wie alt wir geworden sind, wie viel passiert ist und wie viele Dinge schon wieder wie viele Jahre zurückliegen.

Was in unserem so sprachlastigen Leben also wirklich zu zählen scheint, sind Zahlen – vielleicht sogar mehr als Worte. Und was die Sprache dazu sagen würde? Sie würde möglicherweise meinen, dass Zahlen im Grunde auch nur Wörter sind. Und dass sie ganz viel Bedeutung transportieren – nicht nur als Mengenangaben, sondern auch als Sprachperlen.

3

Dass alle guten Dinge 3 sind, weiß unsere Sprache beispielsweise schon ziemlich lange. Diese Regel wurde allerdings nicht einfach aufgestellt, sondern geht auf das Rechtswesen der Germanen zurück, in der die Zahl 3 eine ganz besondere Rolle spielte. Dort bezeichnete das „Thing“ nämlich die Gerichtsversammlung, die 3 Mal pro Jahr stattfand. Zu jeder Weisung waren 3 Urteiler erforderlich und Angeklagte, die nicht beim Thing erschienen, konnten erst beim 3. Termin in Abwesenheit verurteilt werden. Im 14. Jahrhundert wurde das Thing dann zu einer „Sache, die nicht näher benannt wird“, unserem heutigen „Ding“.

Die heute nicht mehr so häufig verwendete Wendung 3 Dinge sind frei kommt ebenfalls aus dem Rechtswesen und unterschied ursprünglich den Mundraub von einer echten Straftat. So wurde das Stehlen von bis zu 3 Äpfeln, Trauben oder anderen Lebensmitteln etwa nicht als Verbrechen verurteilt. Wer jedoch darüber hinaus fremdes Eigentum entwendete, musste mit harten Strafen rechnen.

Wer nicht bis 3 zählen kann, gilt bis heute als ziemlich dumm. Diese Ansicht kann wörtlich verstanden werden, geht aber wohl auf die Beobachtung bestimmter Völker zurück, die lediglich die Zahlwörter eins, zwei und „mehr“/„viel“ unterscheiden, also scheinbar nicht zivilisiert oder entwickelt genug waren oder sind, um bis drei und darüber hinaus zu zählen. Neu für mich war, dass wohl auch das französische „très“ für „sehr“ oder „viel“ seinen Ursprung im lateinischen „tres“, also „drei“ zu haben scheint. Denn das haben die Gallier angeblich einst von ihren römischen Besatzern übernommen. Da sie bis dahin ebenfalls nur „eins“, „zwei“ und „viel“ kannten, wurde „tres“ eben als “viel” verstanden und auch so verwendet.

7

Die Zahl 7 ist ein bisschen die Prinzessin der Zahlen – oder auch die Königin. Nicht nur aber vor allem auch in religiöser Hinsicht. Im 7. Himmel befinden sich bekanntlich jene, die besonders verliebt sind. Wir haben bereits in unserem Beitrag zur Liebe herausgefunden, dass sich dieser 7. Himmel auf den höchsten Himmel bezieht, in dem Gott selbst mit seinen Engeln wohnt. Und das ist nur eines von vielen Beispielen für die große und größte Bedeutung der Zahl 7 im Christentum. Denn, wie die Bibel erzählt, wurde auch die Welt in 7 Tagen erschaffen, Gott umgeben 7 Erzengel, wir müssen uns vor 7 Todsünden hüten und auch das Buch mit 7 Siegeln – etwas für uns schwer Zugängliches und schwer Greifbares – führt auf die Bibel zurück. Dort heißt es in der Offenbarung des Johannes: „Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln.“ (Offb 5,1-14).

9

Warum ausgerechnet die grüne Neune zum Ausruf des Erschreckens wurde, wird anhand sehr unterschiedlicher Theorien erklärt. Beispielsweise in Zusammenhang mit der Spielkarte Pik Neun, die traditionell düstere Zukunftsaussichten wie Krankheit oder finanziellen Verlust verhieß. Einer zweiten Erklärung zufolge führt die Wendung auf das einst als verrucht geltende Berliner Lokal „Coventgarden“ in der Blumenstraße 9 zurück, das seinen Eingang wiederum am „Grünen Weg“ hatte. Möglicherweise kommt die Assoziation aber auch von der schlesischen „krummen Neune“ mit der ein gebückt gehender Mensch bezeichnet wurde – eine Abwandlung von dem Begriff „krumme Not“, eine damalige Bezeichnung für Epilepsie.

08/15

Und dann ist da noch die berühmte 08/15. Zur Entstehung dieser Zahlenperle als Symbol für das Durchschnittliche und Langweilige hat auf jeden Fall die Kriegsgeschichte beigetragen. Wie genau, dazu gibt es abweichende Erklärungen. Sie alle führen allerdings auf das im ersten Weltkrieg verwendete deutsche Maschinengewehr MG 08/15 zurück. Damit wurden einer Herleitung zufolge tägliche, eintönige und langwierige Trainingseinheiten abgehalten, was zu der besagten Assoziation geführt haben soll. Außerdem wurde dieses Gewehr bald deutschlandweit eingesetzt und so zum Standard der deutschen Maschinengewehre – einem Muster, einem Prototyp, wie auch der übertragene Sinn der Zahl aussagt. Auch oft angenommen wird, dass die Waffe später aufgrund ihrer schlechten Materialien und fehlerhaften Konstruktion unter Soldaten als eher (unter)durchschnittliches Modell gehandelt wurde und gerade das zur heutigen, negativen Bedeutung führte.

Wie so oft können wir uns in der Sprache aber nicht zu 100% festlegen. Sie ist schließlich keine mathematische Gleichung und ihre Ergebnisse nicht immer eindeutig. Fragen bleiben meistens offen – wie zum Beispiel, warum ungerade Zahlen so viel mehr Bedeutung zu haben scheinen, als gerade, wieso niemand von der 4 spricht und wie schlau und weise wir wohl werden müssten, um endlich mit dem ständigen Zählen aufzuhören und stattdessen einfach das „Viele“ zu genießen.

 

Zusätzliche (zu den hier verwendeten) Quellen:
Die Zeit: “Eins, zwei, viele”

Urheberrecht Bild: Paisit Teeraphatsakool, 123rf

2 Responses

  1. Frederik Scharinger

    Herzlichen Dank für die Mühe, welche sie sich mit den Texten geben, aus welchen eine persönliche Freude für mich, entspringt.

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