25
Feb
2015
0

Seit wann es das deutsche Baby gibt. Und was vor ihm war.

Wenn ich mir meine eigene Großmutter vorstelle, wie sie Anfang der 50er-Jahre auf einem kleinen Bauernhof im österreichischen Weinviertel ihr erstes Kind erwartete, fällt es mir schwer, zu glauben, dass sie tatsächlich von einem Baby sprach. Nun sind mein Glaube und meine fehlende Vorstellungskraft natürlich wenig relevant. Doch auch objektiv und realistisch betrachtet kann das Wort „Baby” ja nicht schon immer in unserem Sprachgebrauch gewesen sein. Nur – wenn nicht, was war dann davor?

Wo das Baby herkommt.

Es wird häufig angenommen, das Baby wäre mit den amerikanischen Soldaten nach dem zweiten Weltkreig in unsere Sprache gelangt. Diese Annahme muss jedoch schon deshalb falsch sein, weil das Baby bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in deutschen Wörterbüchern als englisches Lehnwort zu finden war. Es ist anzunehmen, dass es ab etwa 1900 im deutschsprachigen Raum verwendet wurde, teilweise sogar noch früher.

Wie genau es uns erreichte, ist nicht ganz klar. Zwar ist in Herkunftswörterbüchern von englischen Kindermädchen die Rede, die zu jener Zeit ein recht hohes Ansehen in Deutschland genossen. Die Frage ist jedoch, wie viel Prozent der Gesellschaft überhaupt jemals in Berühurung mit einem englischen Kindermädchen kamen und wie das Baby dann so verhältnismäßig schnell in alle deutschen Sprachschichten vordringen konnte.

Bei der Herkunft des englischen Wortes herrscht dafür weitestgehend Einigkeit: es handelt sich wohl um ein Lallwort, also eine Lautfolge, die aus der Babysprache kommt bzw. von Kleinkindern sehr leicht aritkuliert werden kann. Aus „ba ba ba“, so die Theorie, wird dann schnell ein „Baby“, oder so ähnlich (über dieses Thema haben wir ja auch schon in Zusammenhang mit dem österreichischen Baba gesprochen). Jedenfalls gab es das Wort anscheinend schon im späten 14. Jahrhundert in seiner mittelenglischen Form als babi bzw. baban.

Vor Baby Geburt.

Was sagten nun aber die Menschen im deutschsprachigen Raum bevor von einem Baby die Rede war? Neugeborenes? Säugling? Oder einfach Kind(lein)? War das österreichische Putzerl zumindest schon früher da und konnte als etwas liebevollere, “babyhaftere” Bezeichnung dienen? Und wie war das dann in Deutschland und der Schweiz?

Unter anderem in dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (ab ca. 1850) werden unter dem Begriff “Kindlein” bzw. “Kindelein” Beispielsätze genannt, in dem es eindeutig um noch ungeborene oder neu geborene Babys geht. Ich bin in diesem Zusammenhang auch auf den Briefwechsel von Erich und Luise Mendelsohn gestoßen. Am 12.8.1918 schrieb Louise ihrem Mann:

Heute ist mir wohler – gestern war mir’s ganz gewiss, dass ich ein Kindlein erwarte – nun heute zweifle ich wieder. – Wie es wird, wirds gut sein Wünsche sind etwas, die vom Leben meist nicht berücksichtigt werden. Oft ist das Leben besser als sie. Ich trage diese Wahrheit sehr tief in mir – Könnte ich Dir [sic?] heute Küssen und lieb haben – geliebter Mann.” (Quelle)
 

Und für die Kindlein-Theorie spricht vielleicht auch eine unserer Redewendungen. Wer das Kind mit dem Bade ausschüttet, der verwirft das Schlechte und Wertlose (das schmutzige Wasser) zusammen mit dem Guten und Wertvollen (dem Kind). In der Vorstellung handelt es sich dabei am ehesten um ein Baby oder Kleinstkind, wie auch folgende Illustration von Thomas Murner zeigt. Und anscheinend stammt die Wendung aus dem 15. Jahrhundert.

Kind mit dem Bade

Mehr weiß ich heute leider nicht. Ich weiß aber, dass meine Großmutter noch erfahren hat, dass ich „wos Kloans“, also „etwas Kleines“ erwarte. Von einem Baby sprach sie damals nicht. Und was sie tatsächlich als junge österreichische Bäuerin in den 50ern sagte, als sie sich auf ihr Kindlein, ihren Säugling, ihr Neugeborenes freute, das bleibt wohl ein Geheimnis.

 

 

Quelle Illustration: 
“Murner.Nerrenbeschwerung.kind”. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Murner.Nerrenbeschwerung.kind.jpg#mediaviewer/File:Murner.Nerrenbeschwerung.kind.jpg

3 Responses

  1. Hallo Nicola,

    ich bin eben via ZIELBAR.de auf deinem Blog gelandet und finde deine Artikel super spannend 🙂

    Bei diesem Artikel hier vermisse ich jetzt noch etwas… Und zwar schreibst du “Und wie war das dann in Deutschland und der Schweiz?”. Jedoch gehst du danach nur auf Deutschland ein.

    Ich wundere mich jetzt natürlich als Schweizer, ob das “Buschi” oder “Buscheli” aus dem Schweizerdeutsch vom “Baby” kommt oder schon vorher genutzt wurde? 🙂

    Schöne Grüsse
    Dani

    1. Nicola

      Hallo Dani! Vielen Dank, da hast du natürlich völlig recht – die armen Schweizer habe ich hier vernachlässigt. Das liegt eigentlich nur an meinem fehlenden Wissen, ich gebe es zu. Ich habe das Buschi jetzt einmal in meinem Variantenwörterbuch des Deutschen nachgeschlagen und hier zwar herausgefunden, dass es neben dem Bébé besonders im Nordwesten der Schweiz gebräuchlich ist, über die Herkunft stand da aber leider nichts. Da brauchen wir unbedingt jemanden, der ein entsprechendes Wörterbuch für Schwizerdütsch hat. Weißt du da vielleicht eine Quelle? 🙂

      1. Dani Schenker

        Nordwestschweiz… Ja, das macht Sinn 🙂
        Leider wüsste ich jetzt auch nicht, wie ich an eine solche Information herankommen sollte.
        Aber dennoch vielen Dank, dass du es versucht hast etwas herauszufinden 🙂

Leave a Reply to Nicola Cancel Reply