8
Mai
2015
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Schwul ist heiß und lesbisch ist aus Griechenland.

Es gibt Menschen, die haben so schöne Ideen, dass man sie eigentlich darum beneiden muss. Da aber Neid kein so gutes Gefühl ist, tut es meist besser, stattdessen ein wenig Bewunderung oder anteilnehmende Freude zu empfinden und diese auch zu zeigen. Das will ich heute tun und meine Freunde von QueerAlps.com zu ihrem wunderschönen neuen Projekt beglückwünschen. Der in Wien gegründete Verein zur Prävention von Homophobie wurde von ein paar sehr klugen und talentierten Menschen ins Leben gerufen, denen die österreichische LGBTQ-Szene besonders am Herzen liegt. Was mich darüber hinaus noch begeistert – ihr exquisiter Sinn für Text und Design.

Aber der Reihe nach: Nicht alle wissen, wofür LGBTQ überhaupt steht. Als eine von mehreren möglichen Abkürzungen bedeutet sie in diesem Fall „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer“ und wird in ihrer eigentlich englischen Form seit einigen Jahren auch im deutschen Sprachgebrauch verwendet. Über die unterschiedlichen Varianten und Bedeutungen in Österreich, Deutschland und anderen Ländern gibt es in der Wikipedia einen sehr aufschlussreichen Artikel nachzulesen.

Das Sprachperlenspiel beschäftigt sich aber doch immer lieber mit Perlen, deren Bedeutung die meisten ohnehin bereits kennen, deren Geschichte hingegen völlig unerwartete Aspekte ans Tageslicht bringt. Deshalb die heutige Frage: Was steckt eigentlich hinter den Wörtern schwul und lesbisch?

Lesbisch ist griechisch?

Woher das seit dem 19. Jahrhundert gebräuchliche Wort lesbisch stammt, scheint klar zu sein. Es wurde als Adjektiv zur griechischen Insel Lesbos gebildet und bedeutet genau genommen „zur Insel Lesbos gehörend“. Grund für diesen Zusammenhang ist Sappho – die wohl bedeutendste Dichterin der Antike – die um 600 v.Chr. auf dieser Insel lebte und in ihren Liedern junge Mädchen und Frauen leidenschaftlich besang. Das in der Antike geläufige Wort „lesbiazo“ bedeutete schließlich „es machen wie die Frauen aus Lesbos“ und meinte die orale Stimulation. Sappho war im Übrigen auch der Grund, warum die Homosexualität bzw. die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Frauen früher auch als sapphische Liebe bezeichnet wurde.

Schwul ist drückend heiß?

Anders als das englische gay, das sowohl für die Liebe zwischen Frauen als auch Männern verwendet wird, bezieht sich „schwul“ ausschließlich auf die männliche Homosexualität. Das war aber nicht immer so. Die „schwule Ehe“ oder das „schwule Verhältnis“ tauchte bereits 1891 als Begriff für homosexuelle Männer und Frauen auf. In seinem Roman Berlin Alexanderplatz aus dem Jahr 1921 bezeichnete Alfred Döblin damit ebenfalls homosexuelle Männer wie auch Frauen und bis in die 1950er Jahre war diese Verwendung in der deutschsprachigen Literatur immer wieder zu finden. Aus der Wiener Gaunersprache sind darüber hinaus Ausdrücke wie „a schwuls Weib“ oder „a woame Schwester“ bekannt. Erst mit der weitgehenden Akzeptanz des Begriffs „lesbisch“ (auch unter homosexuellen Frauen) in den 1970er Jahren wurden diese beiden sprachlich endgültig voneinander getrennt.

Warum jetzt aber schwul und warm? Dazu gibt es unzählige Erklärungsansätze. Sie reichen von den „warmen, weichen Wesenszügen“ homosexueller Männer, wie sie normalerweise Frauen zugeschrieben werden, über die „warmen Gefühle“, die Männer anderen Männern gegenüber hegen, bis hin zu der angeblichen früheren Annahme, die Haut von Homosexuellen sei tatsächlich wärmer als die von Heterosexuellen. Faszinierend.

Der Begriff „warm“ für „homosexuell“ wie in „warmer Bruder“ ist jedenfalls bereits seit 1772 belegt. „Schwul“ hingegen tauchte erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Klar ist anscheinend auch: Das Wort „schwul“ hat tatsächlich etwas mit „schwül“, also „drückend heiß“ zu tun und geht wiederum auf „schwelen“ zurück – also langsam, ohne offene Flamme brennen. Und bestimmt ist es ein sprachlicher Zufall – das Bild der nicht offen brennenden oder brennen dürfenden Flamme. Wie jedoch Jahrzehnte oder besser gesagt Jahrhunderte lang versucht wurde, so manche brennende Liebe und lodernde Leidenschaft im Keim zu ersticken, darüber können viele Menschen bis heute ein Liedchen singen. Und einige dieser Menschen werden tatsächlich die Möglichkeit bekommen, ihre persönlichen Geschichten zu erzählen – nämlich in einem Projekt von QueerAlps, das mit einer Zeitzeugen-Interviewreihe einen Stück des Weges der LGBTQ-Community dokumentieren möchte. Ich glaube, wir dürfen durchaus gespannt sein.

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